China ist gemeinhin nichts als Frontkämpfer für den Klimaschutz bekannt. Da denkt man schon eher an die katastrophale Smogbelastung, die in den Millionenstädten des „Land des Lächelns“ der Alltag ist. Ausbeutung der Rohstoffe, Raubbau an Mensch und Natur, ungebremstes Wachstum des CO2-Ausstoßes sind Attribute, die man China viel eher zuschreibt als Kompetenzen in Sachen Nachhaltigkeit und Klimaschutz. Mit Hilfe der gesteigerten Aufmerksamkeit durch die Weltausstellung EXPO 2010 in Schanghai soll anhand des Vorzeigeprojekts Dongtan die Chance genutzt werden, der Welt ein anderes Klima-Gesicht zu präsentieren.
Dongtan liegt auf einer Insel im Mündungsgebiet des Jangtse an der Ostküste Chinas und gehört ebenso wie Schanghai zum Kreis Chongming. Dort soll bis zum Jahr 2020 die erste Ökostadt in Asien entstehen, die Platz für eine halbe Millionen Einwohner bieten soll. Weitere drei Städte dieser Bauart sollen folgen. Für die Expo 2010 in Shanghai wird zunächst in einer ersten Phase ein Pilotprojekt für 50.000 Einwohner durchgeführt. Das Investitionsvolumen des gesamten Projekts beträgt ca. 1 Milliarde Euro.
Beim Aufbau der Stadt stehen folgende Ziele im Vordergrund:
- Neutrale Umweltbilanz beim Ausstoß von Treibhausgasen beim Aufbau & Betrieb, d.h. „zero emissions“
- 100% Selbstversorgung Nahrung, Energie und Wasser
- Stromerzeugung ausschließlich aus erneuerbaren Energien (Windräder & Sonnenkollektoren)
- Konsequente Niedrigenenergie-Bauweise
- Fortschrittliche Abfallentsorgung
- Hohe Energieeffizienz in allen Bereicheneine
Zu den Plänen, wie eine nachhaltige Stadt aussehen soll, zählt auch, nur Autos mit Elektromotor oder Wasserstoffantrieb innerhalb der Stadt zuzulassen. Wer herkömmlich motorisiert anreist, muss sein Auto vor den Toren der Stadt stehen lassen und zu Fuß, mit dem Rad oder mit einem öffentlichen (nachhaltigen) Verkehrsmittel die Anreise vollenden. Die Smog-geplagten Einwohner der typischen heutigen chinesischen Großstädte werden die gute Luft-Qualität dankend annehmen.
Nachhaltigkeit und China können somit in Zukunft nicht mehr als komplette Gegensätze angesehen werden. Dennoch muss die Frage gestellt werden, inwieweit ein solches Projekt tatsächlich Einfluss auf die Reformierung der Städte-Moloche in China haben kann. Eine 500.000 Einwohner Stadt ist sicherlich einfacher sauber zu halten als Multimillionenstädte in der Größenordnung von Peking, Shanghai, Guangzhou oder Chongqing. Außerdem wäre man leicht dazu geneigt, Dongtan vornehmlich als Image-trächtiges Projekt zu sehen, dass möglichen Protesten von Umweltorganisationen zur Expo 2010 etwas den Wind aus den Segeln nehmen soll.
Dennoch könnten aus dem Projekt Dongtan sicherlich zahlreiche Lektionen gelernt werden, um sinnvolle Ansätze für die Verbesserung der Nachhaltigkeit existierender Städte zu identifizieren. Nicht nur China oder andere Schwellenländer können von Ideen aus Dongtan profitieren, sondern auch der Rest der Welt.